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Die Top Ten der kritischen Anfragen an den christlichen Glauben
Gute Fragen verdienen gute Antworten. Im Folgenden stellen wir zehn typische Anfragen und Einwände vor, die im Gespräch über den christlichen Glauben immer wieder auftauchen.
Wir sind überzeugt: Wer kritisch nachfragt, hat ein Recht auf durchdachte Antworten. Denn der christliche Glaube kann Anfragen aushalten. Nicht weil es auf jede Frage eine "Rezept-Antwort" gäbe. Sondern weil beim Glauben der Verstand nicht etwa auf "Standby" geschaltet, sondern zum Nach-Denken angeregt wird. Deswegen sind die Antwortvorschläge, die wir zu jeder Anfrage aufführen, auch genau das: Vorschläge. Sie sollen weiteres Nachfragen und Nachdenken anstoßen. Das würde uns freuen!
- Kannst Du das beweisen?
- Ist nicht alles relativ?
- Ist das nicht reine Wunscherfüllung?
- Wie kann Gott das zulassen?
- Ist das nicht intolerant?
- Warum Christ werden - genügt es nicht, ein guter Mensch zu sein?
- Sind Christen etwa bessere Menschen?
- Willst du mich etwa bekehren?
- War Jesus nicht einfach ein vorbildlicher Mensch?
- Ist die Bibel denn nicht verfälscht und unzuverlässig?
1. Kannst Du das beweisen?
Beweise im strengen Sinn funktionieren immer nur innerhalb eines Systems. Jede Form von Wissen basiert letztlich auf Voraus-Setzungen, die selbst nicht weiter begründbar sind. Es gäbe z.B. keine Naturwissenschaft ohne das Vertrauen, dass unsere Sinne und unser Verstand grundsätzlich in der Lage sind, uns Aufschluss über die Wirklichkeit zu geben. Diese Setzung ist notwendig, aber nicht vorab beweisbar. Sie kann sich nur "im Vollzug" bewähren, im Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens.
Das ist im Glauben durchaus ähnlich: Das Vertrauen, dass wir Gott in Jesus begegnen, steht am Anfang. Mit diesem Vertrauen machen wir Erfahrungen und merken, dass es sich intellektuell wie existenziell bewährt, dass es uns hilft, unsere Welt und unser Leben besser zu verstehen.
"Ich glaube an Christus, so wie ich glaube, dass die Sonne aufgegangen ist, nicht nur, weil ich sie sehe, sondern weil ich durch sie alles andere sehen kann."
(C.S.Lewis)
2. Ist nicht alles relativ?
Anders gesagt: "Alle haben ihre Wahrheit, eine objektive Wahrheit gibt es nicht. Deswegen lohnt es sich auch nicht wirklich, über die Wahrheit zu diskutieren." Diese Sichtweise hat meines Erachtens mehrere Schwachstellen:
- Sie ist in sich widersprüchlich. "Es gibt keine objektive Wahrheit" - ist dieser Satz objektiv wahr?
- Sie ist nicht lebbar. Wenn ich über eine Brücke gehe, kann ich mich vorher fragen, ob die physikalischen Gesetze, die der Architekt beim Bau beachtet hat, gültig sind. Ich kann vom Kopf her unentschieden bleiben. Aber sobald ich die Brücke betrete, gebe ich meine Neutralität auf.
- Sie ist letztlich unverantwortlich. Grundlegende ethische Maßstäbe, z.B. die Menschenrechte, erheben zu Recht den Anspruch auf objektive Geltung. Dass Völkermord Unrecht ist, ist eben nicht nur relative Wahrheit, nicht nur "Geschmackssache". Das heißt nicht, dass keinerlei Diskussion über ethische Fragen möglich wäre. Es heißt nur, dass sie in der Absicht geführt werden muss, objektive Wahrheit zu erschließen.
- Sie greift zu kurz. Ich finde unser Leben ist zu kostbar, als dass wir uns mit weniger als verlässlicher Wahrheit abgeben könnten. "Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?" fragt der Heidelberger Katechismus. Diese Frage braucht eine substanzielle Antwort.
3. Ist das nicht reine Wunscherfüllung?
Die sogenannte Projektionshypothese: Glaubende malen das Bild eines allmächtigen Gottes an den Himmel, weil sie sich einen solchen Gott wünschen - und weil sie mit diesem Leben nicht zurecht kommen. Das Problem dabei: Es wird schon vorausgesetzt, dass Gott nicht existiert. Der Einwand erklärt, warum Menschen an Gott glauben, wenn es ihn nicht gibt. Er beantwortet gar nicht die Frage, ob es ihn gibt
Denn dass ich ein Bedürfnis nach etwas habe, kann genauso gut ein Hinweis darauf sein, dass es dieses Etwas auch gibt. Ich habe Hunger - und es gibt Nahrung. Ich habe das Bedürfnis nach menschlicher Nähe - und es gibt andere Menschen. Meine Bedürfnisse geben mir darüber Aufschluss, worauf ich angelegt bin. Die Sehnsucht nach Gott, die viele Menschen verspüren, ist sicher kein Beweis für Gott - aber sie kann genauso gut als Hinweis und Denkanstoß gewertet werden wie als Gegenargument, zumal das Gottesbild des christlichen Glaubens im Kern den Vorstellungen menschlicher Religiosität direkt widerspricht. Einen Gott, der sich selbst erniedrigt und für seine Geschöpfe stirbt, um sie zu retten - einen solchen Gott kann man sich kaum ausdenken.
4. Wie kann Gott das zulassen?
Ganz ehrlich: Das ist eine der schwierigsten Anfragen an den Glauben. Es macht einen großen Unterschied, ob jemand diese Frage aus einer persönlichen Betroffenheit heraus stellt oder nicht. Wenn ja, ist eine schriftliche Antwort in Form von ein paar Argumenten immer unzureichend. Dann wäre ein Gespräch unter vier Augen viel besser. Eine Frage, die nicht nur theoretisch ist, kann man auch nicht rein theoretisch beantworten. (U.a. aus diesem Grund ist oben eine Email-Adresse angegeben.)
Schon deswegen, aber auch weil das Thema so umfassend ist, kann ich also nur ein paar Denkhilfen geben: Wenn jemand nach einem Unfall mit gebrochenen Beinen im Krankenhaus liegt und ruft "Warum?", will er nicht hören: "Ganz einfach - du bist zu schnell in die Kurve gefahren und die Fliehkraft hat dich über die Leitplanke getragen..." Sondern er will, dass sich seine Lage ändert. Das deutet auch schon die Richtung an, in der eine mögliche Antwort liegt.
Natürlich stimmt es: Aus Sicht der Bibel gehört Leiden zur Welt nach dem Sündenfall dazu - also zu einer Welt, in der die Menschen sich von Gott abgewandt haben. Das ist die Auskunft der ersten Kapitel der Bibel: Gott hat Menschen mit der Freiheit geschaffen, sich ihm zuzuwenden oder sich von ihm abzuwenden. Gott will eine reale Beziehung zu einem freien Gegenüber; und zu dessen Freiheit gehört die Möglichkeit des Scheiterns logisch dazu. Und Scheitern heißt in diesem Fall: Abwendung von Gott, Misstrauen gegen Gott - und damit langfristig auch Misstrauen gegeneinander, Gebrochenheit, Feindseligkeit... Unsere Weltwirklichkeit ist voll von der Erfahrung solchen Scheiterns - und zwar des Scheiterns von uns Menschen. Jedes Bild vom Menschen, das realistisch sein will, muss genau das einkalkulieren: Dass der Mensch in sich gebrochen ist, dass er höchst unvollkommen und zu handfestem Versagen in der Lage ist. Wer das nicht einkalkuliert, läuft Gefahr, einen Teil unserer Alltagserfahrung einfach auszublenden.
Das also ist ein erster Ansatz einer Antwort: Die Freiheit des Menschen schließt die Möglichkeit des Scheiterns ein. Wenn Gott diese Möglichkeit ausgeschlossen hätte, hätte er uns nicht als freie Wesen geschaffen. Dass er uns aber als freies Gegenüber geschaffen hat, ist gerade Ausdruck seiner Liebe zu uns.
Das ist eine wichtige Denkhilfe. Aber wie ich selbst einräumen muss: Es beantwortet selten die Frage des einzelnen Leidenden, wie er seinen Schmerz bewältigen soll. Denn schon das Beispiel von Hiob im Alten Testament zeigt, dass es in dieser gefallenen Welt eben keineswegs immer die "Richtigen" trifft (Buch Hiob, Kapitel 1-2). Wir Menschen leiden oft unter den Konsequenzen der freien Entscheidungen anderer. Zwei Grundannahmen des christlichen Glaubens können uns allerdings weiter helfen:
- Der Gott, an den wir glauben, ist kein distanzierter Gott, weit weg und desinteressiert. Wir glauben, dass er in Jesus Mensch geworden ist. Und wir glauben, dass er in Jesus in seiner Liebe zu uns bis in den Tod gegangen, am Kreuz gestorben ist. Das heißt, wir glauben an einen gekreuzigten Gott, der mitten in unserem Leiden gegenwärtig ist. Gott kann auch unsere Klage und unser Unverständnis aushalten; denn im Grunde leidet er mit jedem Leidenden weitaus mehr mit als wir das könnten. Wir müssen Gott also nicht etwa darüber "informieren", was Leiden bedeutet.
- Es gibt in dieser Welt, aus unserer begrenzten Perspektive vielleicht keine hundertprozentig befriedigende Antwort auf das Problem. Aber es gibt in Gottes Welt eine vollkommene Lösung. Christen leben auf Gottes neuen Himmel und neue Erde zu, in der Gott alle Tränen abwischen wird, in der es keinen Tod, kein Leid, kein Geschrei und keinen Schmerz mehr geben wird; denn was vorher war, ist vergangen (Offenbarung, Kapitel 21, Vers 4). Diese Erwartung hilft, das Dunkel dieser Welt beim Namen zu nennen, es gerade nicht zu beschönigen und dennoch hoffnungsvoll zu leben.
Ein letzter Denkanstoß: Wie kommt es eigentlich, dass uns Menschen die Frage nach dem Leid der Welt und der Gerechtigkeit und Liebe Gottes so umtreibt? Selbst solche Menschen, die erklärtermaßen gar nicht an Gott glauben? Unsere Unruhe im Blick auf das Leiden der Welt macht doch nur dann Sinn, wenn wir eine Alternative vor Augen haben - wenn wir ahnen, dass die Welt eben nicht so ist, wie sie sein sollte. Woher aber kommt diese Ahnung, wenn doch der Zustand der Welt nichts Neues sein dürfte? Mit C.S.Lewis gefragt: Wundert sich ein Fisch darüber, dass es nass ist? Und wenn er es doch täte: Hieße das nicht vielleicht, dass er ursprünglich mal fürs Trockene geschaffen worden ist?
5. Ist das nicht intolerant?
Der Einwand kann den Einzigartigkeitsanspruch von Jesus meinen oder überhaupt das Bemühen von Christen, andere von dem zu überzeugen, was sie als wahr ansehen. Der Vorwurf beruht allerdings auf einem Missverständnis von Toleranz. Tolerare (lat.) bedeutet erdulden, aushalten. Toleranz heißt also nicht, die eigene Überzeugung zurückzustellen, sondern sie durchaus zu vertreten - und dabei auszuhalten, dass ein anderer eine andere Überzeugung vertritt. Toleranz meint die Beziehungs- und nicht die Sachebene: Selbstverständlich begegne ich jedem Menschen mit Respekt und Wertschätzung, unabhängig von seinen Überzeugungen. Das heißt aber nicht, dass ich meine eigenen Überzeugungen relativiere.
So verstanden ist Toleranz ein zentraler christlicher Wert. Christen sind dazu aufgerufen, die Liebe Gottes jedem Menschen entgegenzubringen. Zugleich aber setzen sie alles daran, ihn mit diesem Gott bekannt zu machen: Freundlich, respektvoll, ohne jeden Druck; denn Glaube kann ja nur in Freiheit wachsen. Angehörige anderer Religionen, die einen ähnlich starken Wahrheitsanspruch vertreten, können gerade das oft sehr gut nachvollziehen. Die Kernaussagen des Evangeliums und des Islam widersprechen einander nun einmal, sie können nicht gleichzeitig wahr sein. Gerade wenn das anerkannt wird, kann das Gespräch von Christen und Muslimen über den Glauben sehr fruchtbar und in gegenseitigem Respekt verlaufen. Das ist auch meine eigene Erfahrung.
6. Warum Christ werden - genügt es nicht, ein guter Mensch zu sein?
Zweifellos kann man ein guter Mensch sein, ohne Christ zu sein. Das ist ein Erfahrungswert. Damit ist aber noch nicht die Wahrheitsfrage beantwortet: Ist dieser Gott lebendig oder nicht? Ist etwas dran an den Verheißungen des Glaubens oder nicht?
Denn darum geht es schließlich im christlichen Glauben: Nicht um die religiöse Verbrämung eines integren Lebens (so wünschenswert ein solches Leben ist), sondern um die Beziehung mit Gott und seiner lebendigen Wirklichkeit. Diese Beziehung hat Auswirkungen auch auf unser Verhalten; für sich genommen sind diese Auswirkungen aber noch keineswegs "die Sache selbst". Kein noch so vorbildliches Leben kann die Beziehung mit Gott ersetzen oder die Trennung von Gott aufheben. Das kann - aus christlicher Sicht - nur die Gnade Gottes in Jesus Christus. Dass nach Aussage der Bibel jeder Mensch Sünder ist, meint also keine pauschale moralische Abwertung, sondern die Störung der Gottesbeziehung aller Menschen, die viel tiefer liegt. Diese Unterscheidung ist wichtig.
7. Sind Christen etwa bessere Menschen?
Nein, sind sie (leider oft) nicht. Damit ist aber noch nichts über die Wahrheit des christlichen Glaubens ausgesagt. Wenn mein Arzt mir empfiehlt, keinen Alkoholmissbrauch zu betreiben - aber selbst Alkoholiker ist - dann wird dadurch noch nicht sein Ratschlag falsch; nur er als Person wird unglaubwürdig. Wir müssen also zwischen Person und Sache unterscheiden.
Nun könnte man einwenden, dass ja nach Aussage der Bibel selbst die Beziehung zu Gott einen Menschen umgestaltet; das gehört also mit zum Wahrheitsanspruch des Glaubens dazu. Allerdings fängt jeder Mensch, auch wenn er sich zum besseren wandelt, an einer anderen Stelle an. Z.B. ist es für jemanden, der in einem intakten Umfeld aufwächst, viel leichter, auch selbst freundlich, geduldig und konfliktfähig zu sein, als für jemanden mit einem schwierigeren Hintergrund. Die Frage "Sind Christen besser?" ist also zu pauschal; stattdessen könnte man höchstens fragen: "Hat sich dieser einzelne Mensch, seitdem er Christ ist, zum besseren hin verändert?"
Und schließlich: Die Bibel rechnet diesseits des Himmels mit der bleibenden Fehlbarkeit jedes Menschen, gerade des religiösen Menschen. Dass auch Christen fehlbar sind und immer wieder handfest versagen, ist damit niemals zu entschuldigen (nur zu vergeben). Aber es ist trotz allem auch eine Bestätigung gerade dieses biblischen Menschenbilds.
8. Willst du mich etwa bekehren?
Damit verbunden ist manchmal die Annahme: Wer allzu engagiert eine Sache vertritt, wer bewusst andere auf seine Seite ziehen möchte - dessen Sachlichkeit ist nicht zu trauen. Dahinter steckt meines Erachtens ein Missverständnis: Dass es echten Erkenntnisgewinn nur da geben könne, wo man persönlich unparteiisch und nüchtern distanziert argumentiert. Doch für den christlichen Glauben ließe sich sogar das Gegenteil behaupten: Gerade wer sich Jesus Christus mit Haut und Haaren verschreibt, im Leben und Sterben allein auf ihn baut, sollte ein vitales Interesse daran haben, dass dieser Glaube tatsächlich wahr ist - und echte Anfragen an ihn gerade nicht unterdrücken. So geht es mir jedenfalls!
Eine zweites Motiv kann die Sorge sein, vereinnahmt zu werden. Aber bekehren hat mit überzeugen und nicht mit überreden zu tun. Glaube als Vertrauen kann nur ohne Druck wachsen; nur da, wo ein Mensch sich ihn aus freien Stücken zu eigen macht. Ein "Glaube", der durch Vereinnahmung oder Verkürzung entsteht - ein solcher Glaube ist meist nur ein Strohfeuer und gerade nicht wünschenswert.
9. War Jesus nicht einfach ein vorbildlicher Mensch?
Damit wird oft das Bekenntnis von Jesus als dem Sohn Gottes, dem menschgewordenen Gott (und der damit verbundene Einzigartigkeitsanspruch) zurückgewiesen. Der biblische Befund lässt diese Option aber nicht offen.
Er präsentiert Jesus als einen Menschen, der in Wort und Tat beansprucht, an Gottes Stelle zu stehen.
- Z.B. in einzelnen Spitzensätzen, die sich vor allem im Evangelium nach Johannes finden: "Ich bin ... die Wahrheit" (Johannes, Kapitel 14, Vers 6); oder "Ich und [Gott] der Vater sind eins." (Johannes, Kapitel 10, Vers 30).
- Außerdem mit der Behauptung, Sünden zu vergeben, die sich in allen Evangelien findet (Markus, Kapitel 2, Vers 5-6; Identity-Heft, Seite 7, Abschnitt 02-03). Die Reaktion der Umstehenden zeigt: Damit stellt sich Jesus an die Stelle Gottes.
Das heißt, er ist entweder ein Gotteslästerer, oder ein Verrückter - oder er hat Recht. Entweder ist er also sehr viel weniger als ein "vorbildlicher Mensch" - oder aber wesentlich mehr, nämlich der Sohn Gottes selbst: Nicht die "Steigerung" eines guten Menschen, sondern qualitativ auf einer anderen Ebene. Was glauben wir? Welchen Eindruck macht Jesus auf uns? Dieser Alternative sollte man sich stellen.
10. Ist die Bibel denn nicht verfälscht und unzuverlässig?
"Worauf genau spielst du an?" würde ich zurückfragen. Vielleicht geht es dir um konkrete Stellen in der Bibel. Dann würde es natürlich mehr Sinn machen, diese Stellen direkt anzusprechen. Vielleicht hast du Christen in deiner Umgebung, die du danach fragen kannst. Ich bin sicher, dass sie gerne mit dir in die Bibel schauen werden. (Ansonsten schreib einfach eine Email; s.o.) Vielleicht geht es auch eher um einen allgemeinen Eindruck, den man aus Gesprächen oder aus den Medien gewinnen kann, wenn das Thema Bibel zur Sprache kommt.
Wenn das der Fall ist, würde ich gerne bei der Mitte ansetzen - bei Jesus. Im Zentrum des christlichen Glaubens steht ja gar nicht die Bibel selbst, sondern die Person Jesus. Deshalb geht es nicht etwa darum, erst einmal die Glaubwürdigkeit der gesamten Bibel pauschal zu bejahen, bevor man überhaupt sinnvoll über den Glauben nachdenken kann. Sondern es geht um Jesus: Von Jesus glauben die Christen, dass Gott in ihm Mensch geworden ist. Wenn wir Gott kennen lernen möchten, sollten wir uns also mit Jesus auseinandersetzen. Ist er vertrauenswürdig?
Um das herauszufinden, brauchen wir zunächst einmal gesicherte Informationen über ihn. Was hat er gesagt, getan, erlebt? Gibt es darüber historisch zuverlässige Daten? Ich bin überzeugt: Ja, die gibt es. Dazu ein paar Hinweise:
- Textüberlieferung: Der ursprüngliche Text des Neuen Testaments der Bibel (NT) wird aus einer für die Antike beispiellosen Fülle von erhaltenen Manuskripten und Fragmenten rekonstruiert, die für jeden Forscher zugänglich sind. Dabei wird nach der anerkannten Methode der Textkritik verfahren.
- Datierung der Schriften: Der Abstand zwischen den Ereignissen um Jesus und den ersten uns bekannten schriftlichen Zeugnissen beträgt laut der Mehrheit der (zum Teil sehr bibelskeptischen) Forschung ca. 20 Jahre (bei den Paulusbriefen) bzw. 30-70 Jahre (bei den Evangelien). Das ist im Vergleich mit anderen antiken Geschichtszeugnissen extrem kurz. In diesem Zeitraum könnten einzelne Details verändert, aber kaum ganze Ereignisfolgen frei dazu erfunden worden sein.
- Mündliche Überlieferung: Im Gegensatz zu heute war in der Antike die mündliche Überlieferung u.U. sehr langlebig und zuverlässig. Es ist begründbar, dass Jesus selbst in seinen Reden die Gedächtnistechniken jüdischer Rabbiner gebrauchte, um seine Lehre für seine Jünger einprägsamer zu machen.
Wenn du Lust hast, hier noch tiefer einzusteigen: Nach christlicher Überzeugung ist der Anspruch von Jesus, an Gottes Stelle zu stehen, an einem Punkt deutlich bestätigt worden: nämlich in der Auferstehung. Christen glauben, dass Jesus nach dem Tod nicht im Grab geblieben, sondern zu neuem Leben auferstanden ist. Und: Dass die Auferstehung tatsächlich ein historisches Ereignis war, das der kritischen Überprüfung standhält. Wie andere historische Ereignisse auch ist die Auferstehung zwar nicht im strengen Sinne beweisbar, wohl aber denkmöglich und begründbar. U.a. sprechen folgende Indizien dafür:
- Das leere Grab wird von allen relevanten Texten bezeugt. Glaubt man nicht an die Auferstehung, braucht man eine alternative Erklärung dafür. (Z.B.: Jemand hat den Leichnam entwendet. Wer? Die Jünger? Um selbst eine Lüge in die Welt zu setzen, für die sie später ihr Leben riskieren? Oder waren es Grabräuber? Dann hätten die jüdischen oder römischen Autoritäten nur den Leichnam ausfindig machen und vorzeigen müssen; dazu wären sie in der Lage und daran wären ihnen gelegen gewesen.)
- Die Frauen am Grab waren laut den Evangelien die ersten Zeugen der Auferstehung. Doch in der Antike galt das Zeugnis von Frauen vor Gericht nichts. Gerade deswegen können wir heute davon ausgehen, dass diese Texte nicht konstruiert sind - dann hätte man (aus damaliger Sicht) kaum Frauen als Zeugen gewählt.
- Der Stimmungsumschwung der Jünger. Die Jünger Jesu hatten seine Kreuzigung als Niederlage erlebt. Und doch sieht man sie wenige Tage danach durch Jerusalem ziehen und die Auferstehung verkünden. Sie wissen, dass sie sich damit in große Gefahr begeben. Auch hierfür braucht man eine alternative Erklärung, wenn man nicht an die Auferstehung glaubt. Psychologische Modelle sind wenig plausibel, weil sie meistens von einer Gruppenwirkung ausgehen; das NT berichtet aber von mehreren Einzelbegegnungen mit dem Auferstandenen. Zudem ist das Bekenntnis der Jünger von der Auferstehung verbunden mit dem Hinweis auf das leere Grab: Dieser Hinweis wäre zumindest theoretisch falsifizierbar gewesen (wenn nämlich das Grab nicht leer gewesen wäre). Suggestionen und Wahnvorstellungen dagegen sind meist "selbst erhaltende Systeme", die für prüfende Rückfragen prinzipiell verschlossen sind.
Literatur
- Jürgen Spieß: Jesus für Skeptiker (Brockhaus)
- Jürgen Spieß: Alles relativ? (Brockhaus)
- C.S.Lewis: Pardon, ich bin Christ (Brunnen)
- Jürgen Spieß / C.S.Lewis: Nach der Wahrheit fragen (Brunnen)
- Klaus Douglass: Glaube hat Gründe (Kreuz)
- Siegfried Kettling: Du gibst mich nicht dem Tode Preis (Brockhaus / Aussaat)
Weitere (oder ausführlichere) Literaturtipps